Historie Baptisten FFO

... was zuletzt geschah

Krisen und Menschen begegnen

Wir feierten zusammen mit unserem Pastor G.Wolk Gottesdienste in Frankfurt und der Zweiggemeinde in Gusow, mit den Höhepunkten des Kirchenjahres, wie Ostern, Pfingsten mit Jugendsegnung, Erntedankfest, Adventsveranstaltung und Weihnachtsgottesdienst mit Krippenspiel. Durch den jährlichen „Tag der Weltmission“ mit Berichten der EBM International und den Gottesdienst mit Berichten von „Open Doors“, zu der aktuellen Situation von verfolgten Christen, wollen wir unseren Blick weiten und unser Herz öffnen für die Nöte der Welt.

Menschen mit iranischen Migrationshintergrund haben zu uns gefunden und können in unserer Gemeinde eine Art Zuhause finden. Im Gottesdienst und dem Bibelkreis werden die Inhalte auch auf Farsi übersetzt. Zusätzlich werden Sprachkurse angeboten. Die Vermittlung von Praktika, Wohnungen und der Gang zu Ämtern unterstreicht die Absicht, in einer menschlichen Gemeinschaft ein Zuhause zu erfahren.

Wir freuen uns, dass Familien mit Kindern zu unseren Gottesdiensten kommen. Ein fröhlicher, abwechslungsreicher Kindergottesdienst wird parallel angeboten. Für die Kleinsten steht ein Krabbelraum mit Tonübertragung zur Verfügung. Mehrere Male im Jahr feiern wir generationsübergreifende Familiengottesdienste. Besonders freuen wir uns, dass sich ein neuer Teenkreis, mit neuem Team, gebildet hat.

Eine Bibelausstellung, gepaart mit Vorträgen, barg viele interessante Schätze für uns und die Schüler, die an Führungen teilnahmen.

Trotz der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkunge konnten wir, bis auf wenige Monate, unsere Gottesdienste in Präsenz durchführen. Technisch wurde aufgestockt. Zoommeetings halfen weiter, ein Livestream vom Gottesdienst wurde möglich
und ein Youtube-Kanal entstand. Die von uns so sehr geschätzte Gemeinschaft beim Brunch und Kirchkaffee litt in dieser Zeit. Umso größer war die Freude über trotzdem durchführbare Veranstaltungen, wie unsere Gemeindefreizeit und Gebets- und Eheseminare. Auch die Regenbogenstraße und die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ konnten stattfinden.

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Die Geschichte von Anfang an

Es begann mit drei Menschen, die am 29. 7. 1847 auf ihr Bekenntnis hin in Frankfurt (Oder) getauft wurden und sich zur Gemeinde der gläubig getauften Christen zählten. Missioniert hatten in Frankfurt (Oder) und in der Umgebung G. W. Lehmann und Eduard Metzkow von der Gemeinde Berlin Schmidstraße. So waren diese und andere in Frankfurt und der Umgebung getauften Christen lange Jahre als Station ein Zweig dieser Berliner Gemeinde.
Im Oktober 1856 wurde der erste Prediger in Frankfurt a. O. eingestellt, W.F.Zeschke. Er berichtete: „Auf meinem neuen Arbeitsfelde scheint es sich je länger je mehr regen zu wollen; die Versammlungen, die früher spärlich besucht wurden, sind jetzt recht zahlreich.“
1862 kam als Verstärkung C.F.J. Jahr hinzu.

Besondere Tauferlebnisse

Ein reicherer Landbesitzer hatte auf seinem Acker ein Bassin ausgraben und ausmauern lassen, um seinen Flachs darin einzuweichen.
Steinerne Stufen führten hinab. Zu einem seiner Arbeiter, einem Baptisten, sagte er: “ Weißt du, wozu die Einrichtung gut wäre? für euch zur Taufe.“ Und so stand dann Br. Jahr 1877 im schwarzen Taufgewand, im weiten Kreise die Taufkandidaten in schneeweißen Gewändern mit den Hunderten von Zuschauern, die sich sehr ruhig und anständig verhielten, auf dem Acker im Taufbecken. Mit Dekorationen aus Baumzweigen, einer Kanzel, Predigt und Gebet fand diese Taufe trotzdem in sehr feierlicher und angemessener Weise statt.

1886 berichtete Br. Jahr von einer anderen Taufe. Es war eine Frau darunter, die seit 8 Jahren die Versammlungen besuchte. Durch die Härte ihres Mannes, der sie fast jedes Mal unbarmherzig schlug, wenn sie von einer Versammlung kam, ließ sie sich einschüchtern. Doch dann hatte eine Predigt sie so getroffen, dass sie dem Herrn Jesu ganz und unbedingt folgen wollte, auch in der heilige Taufe.
Während die Frau vor der ergriffenen Gemeinde erzählte, stand ihr Mann draußen mit einem mächtigen Stock bewaffnet und forderte mit Lärm seine Frau. „Sie dürfe sich nicht taufen lassen“, schrie er … Und obwohl mehrere Brüder hinausgingen, ihn zu belehren und zu beruhigen, setzte er doch sein Gebahren volle 3 Stunden fort. Dann gingen alle mit den Taufkandidaten zum nahegelegenen See, wo die Taufe stattfand. Auch der Mann kam dorthin und war „still wie ein Lamm“. Eine große Zuschauermenge war mit Gesang und Gebet dabei. Mit Predigt und anschließendem Abendmahl wurde die Taufe in bester Ruhe und Ordnung vollzogen. Der Mann ging still nach Hause und empfing seine glückliche und zugleich sorgenvolle Frau ohne ein Wort des Vorwurfs. Am nächsten Tag erzählte er einem Nachbarn, dass das, was er gehört habe, ihm ins Herz gefahren ist und er es nicht mehr loswerden kann.

Gemeindegründung 1877 und Bedrängnis

Der Kampf um die staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft war schwer. Gleiche Rechte der Predigt, Taufhandlungen, Amtshandlungen wie Eheschließungen, Beerdigungen usw. wurden den Predigern trotz staatlich zugesicherter Glaubensfreiheit versagt. Trotz so mancher Anfechtung und Verleumdung vermehrte sich die Mitgliederzahl bald derartig, dass 1877 eine eigene Gemeinde Frankfurt a. d. O. mit bereits 201 Mitgliedern unter Leitung von Br. Jahr gebildet wurde. Das Gemeindgebiet war sehr zerstreut und so diente er im Kreislauf jeden elften Sonntag wieder an derselben Stelle. Bald drang der Wunsch nach einem Gemeindeort mit Kapelle durch. Um Mittel hierfür zu kollektieren, reiste Br. Jahr nach Amerika und kehrte erfolgreich zurück. Die Wahl des Ortes fiel auf Tschernow und 1905 wurde der Betsaal mit 120 Sitzplätze eingeweiht.

Durch die Verlagerung der Schwerpunktarbeit der Frankfurter Gemeinde aus der Oderstadt hinaus und predigerlose Zeiten gab sie zwischen 1890 und 1922 ihre Selbständigkeit auf, obwohl in Frankfurt (Oder) auch während dieser Zeit immer Versammlungsstätten bestanden. Die Frankfurter Gemeindemitglieder und auch die der umliegenden Orte waren als Station nacheinander Mitglieder der Gemeinden Küstrin-Tschernow, Eberswalde und Berlin Gubener Straße.

1910 bot sich der Gemeinde die Gelegenheit, zu einem ansprechenden Gemeinderaum mit Platz für 300 Personen. Einige Familien setzten sich, besonders auch in der Notzeit und den Bedrängnissen des ersten Weltkrieges, für den Fortgang des Werkes Jesu mit großer Liebe ein, wodurch die Gemeinde wuchs.

1922 (Wieder) Gründung und Schwung mit einem jungen Entschlossenen

1922 erfolgte eine formelle selbständige Gemeinde(wieder)gründung in Frankfurt (Oder) mit Stationen. Zugleich wurde ein neuer Prediger eingestellt, Br. Lüllau. Er war 34 Jahre alt, als er vom Seminar in Hamburg kam. Er fand eine kleine, zum Teil recht zerstreut wohnende Schar von ca. 100 Mitgliedern vor. Obwohl Frankfurt seine erste Gemeinde war, war er kein unsicherer Anfänger, sondern ein Mann, der wusste, was er wollte; Menschen für Christus gewinnen und die Gemeinde bauen. Unter seiner kraftvollen Führung begann bald ein bemerkenswerter Aufschwung der Gemeinde. Brd. Lüllau hat jede sich ihm bietende Gelegenheit genutzt, um das Evangelium zu den Menschen zu bringen. Die Nachmittagsgottesdienste fanden, bei gutem Wetter, auf der Festwiese vor dem Kleistturm statt. An der Festwiese mussten alle Ausflügler des Cafés am Kleistturm vorbei. Hier sang der Chor und viele Besucher blieben stehen. Dann hörten sie das Evangelium durch Brd. Lüllau, der eine bemerkenswert laute Stimme hatte. Die Besucherzahl der Versammlungen auf der Kleisthöhe betrug zum Teil 150 – 200 Freunde. Die Hörer wurden zu den Gottesdiensten eingeladen, und solch ein Nachmittag war auch immer ein kleiner Gemeindeausflug mit allerlei frohem Spiel. Brd. Lüllau ging neben seinem Dienst in Frankfurt (Oder) mit Vorliebe in die umliegenden Dörfer, um Neulandmission zu betreiben. Dabei wurde er unterstützt. Es entstanden einige neue Stationen und nach dreieinhalb Jahren hatte sich ihre Zahl der Gemeindemitglieder verdoppelt. Die verschiedenen Zweige der Gemeinde standen in dieser Zeit ganz im Zeichen missionarischer Arbeit. Neben der Sonntagsschularbeit ist besonders die Arbeit der Chöre zu nennen (Gitarren- und ein Posaunenchor). Die Leistung der Chöre steigerte sich kontinuierlich. Für die öffentlichen Kreisgesangfeste wurden ganze Oratorien eingeübt. Die Gemeinde hatte damals eine stark urchristliche Prägung.

Schwere und segensreiche Jahre in den 30igern

Nach gut sieben Jahren wechselte Br. Lüllau die Gemeinde und Richard Kormannshaus kam nach Frankfurt (Oder). Hier folgt ein
froher Bericht der Einführungsfeier:
„Das war ein großer Tag! Früh um 9.00 Uhr sammelte sich der ganze Vorstand in unserer Wohnung. Nach kurzer Gebetsgemeinschaft gingen wir dann um 9.30 Uhr gemeinsam in den Saal. Die ganze Gemeinde stand. Der Saal war gedrängt voll. Die Klänge eines Harmoniums durchzogen den Raum. Dann setzte der Chor ein: ,Gott grüße dich!‘ Augenblicke. Bruder Füllbrandt, Berlin, hielt die Festpredigt über Daniel 1,3-9 u. 6,1-10 Charaktermerkmale einer biblischen Gemeinde gemessen am Bilde Daniels: 1. Er konnte beten von Jugend auf; 2. Seine Zielstrebigkeit; 3. Seine Standhaftigkeit; 4. Er konnte warten auf Gottes Stunde; 5. Sein aufrechter Wandel, durch den immer Gott geehrt und verherrlicht wurde. Anschließend übergab Bruder Roepke mir die Gemeinde. Am Nachmittag konnte der Saal die Menschen nicht alle fassen, die Türen mussten geöffnet werden. Ich sprach über 1.Mose 37,16: ,lch suche meine Brüder!‘
Anschließend kamen noch einige auswärtige Vertreter zu Wort. Am Abend, um 19.00 Uhr versammelte sich die Gemeinde dann noch einmal zu einem Liebesmahl. Ansprachen, Gesänge, Gedichte, Klampfenlieder und Vorträge wechselten in bunter Reihenfolge. Wir sind an dem Tage in dem Meer von Blumen und Rosen bald untergegangen. Die Begrüßungsfeier war über alles Erwarten schön.“

Über die Chorarbeit wurde schon berichtet. Die Wichtigkeit des Gesanges unterstreichen folgende Aussagen:
„Die Gesangpflege sollte schon in der Sonntagsschule beginnen. In manchen ist der sonst fähige Leiter gänzlich unmusikalisch – und der Gesang ist es dann leicht auch. Man sollte in solchen Fällen eine für Leitung der Gesänge (und Neu-Üben!) geeignete Kraft gewinnen… Eine gut singende Sonntagsschule ist etwas Herzerfrischendes und Notwendiges. … Viel auswendig lernen, wo in den Schulen das Auswendiglernen geistlicher Lieder sehr nachgelassen oder ganz aufgehört hat, denn Liedergut ist ein köstliches Gut fürs Leben. Unsere Jugend singt ja erfreulicherweise meist nicht übel. Sie hat zweifellos auffrischenden Antrieb durch die in den letzten Jahren an Gliederzahl und Leistungen merklich vorangekommenen Männerchöre erhalten. Da wollen die jungen Mädchen nicht zurück stehen und finden in Sondergruppen und Klampfenchören Betätigung. Ich rege an zur Weiterbildung, denn es geht doch eigentlich nicht an, dass unsere sonst so strebsame Jugend mancherorts noch heute mit den drei Griffen auf der Gitarre zufrieden ist, mit denen etwa die Heilsarmee vor 25 Jahren arbeitete. Eine weitere bemerkenswerte Ergänzung zum Gesang bilden unsere Blas- und Streich-Orchester. Zur Gesangpflege gehört, einmal wieder an unsern Gemeindegesang zu denken. An manchen Stellen geht er fast im Automobiltempo wohl gar zu unwürdig schnell, mancherorts aber noch im Schneckentempo, wie es die meisten Kirchen vor 40 Jahren hatten.“

Die erste Gemeindeschwester wurde 1933 eingestellt: Helene P. Sie hatte ihr Examen in Bethel Berlin gemacht. Ihr Dienst in Frankfurt (O) war mehr Außendienst. Aus ihrem Erleben zwei kurze Begebenheiten.
Einmal wurde sie nach Alt Mahlisch gerufen. Unterwegs sagte sie: „Herr, Wenn es nur nichts mit dem Hals ist, da weiß ich nicht, was ich tun soll. Der Herr sagte: ’nimm Leinsamen‘. Als ich ankam, fand ich den Bruder im Erstickungszustand und machte gleich mehrere Leinsamenumschläge. Dann wollte ich weitere Besuche machen. Der Herr sagte: ‚Hierbleiben, weiter machen!‘ Dann kam der Arzt und sagte: schneiden. Da schüttelte der Kranke den Kopf und ich sagte zum Arzt: Würden Sie wiederkommen, wenn ich sie rufe? Seine Antwort war: ‚ich hätte auch nicht gewusst, wo ich schneiden sollte‘. Nach langer Zeit Umschläge platzte das Geschwür…So half der Herr. Ihm sei Ehre und Dank!. „
Weiterhin beschrieb sie, wie sie zu einer Bäuerin in Neubischofsee gerufen wurde, die einen „offenen Fuß“ hatte. Sie verband ihn und betete mit der Frau. Der Arzt hatte eine Salbe verschrieben, aber sie wurde vorzeitig erneut gerufen. Man hatte der Frau geraten, die Wundrose besprechen zu lassen. Der Fuß war schwerer entzündet als zuvor. „Jesus ist Sieger. Wir müssen beten um Vergebung unserer Sünden“, und ich legte Hand auf sie. Nach einigen Tagen fuhr ich wieder hin. Unterwegs vernahm ich das Wort: Heut kommt sie dir schon entgegen. Auf der Treppe traf ich sie schon geheilt.

Es wurden schwere, aber auch segensreiche und fruchtbare Jahre der Gemeindearbeit mit all den sich wiederholenden Ereignissen wie:
Gottesdienste, Bibelstunden, Evangelisationen, Taufen, Trauungen, Beerdigungen, Besuchen, Gemeindefeste, Sängerfeste, Konferenzen, Gemeindesonntagen mit Liebesmahl, Jugendtagen, Sonntagsschulausflügen, Jubiläen und Jahresschlussfeiern. 484 Mitglieder zählte die Baptistengemeinde Frankfurt/O. Davon 234 in Frankfurt und die Restlichen verteilt auf über 10 Orte: Zweimal im Monat übernahmen Brüder aus Frankfurt die Verkündigung auf den Stationen. Sehr bald wurde es allerdings notwendig, noch einen zweiten besoldeten Missionsarbeiter zu berufen. 1938 kam deshalb Br. A. Etschel.

Sammlung nach dem 2.Weltkrieg

Der Tod vieler Menschen und die „Völkerwanderung“ durch den 2. Weltkrieg hatte auch Auswirkungen auf die Gemeinde in Frankfurt (Oder), deren Stationen östlich der Oder durch die veränderten Grenzen wegfielen. Das alte Gemeindehaus in der Jakobistraße war zerstört, nur die Außenmauern sowie das Gemeindeschild war noch da. Zunächst fand die Gemeinde ein offenes Haus bei einer Schwester in Gronenfelde. Unter Leitung von Br. H. Fischer fanden 1946 die ersten Gottesdienste statt. Schon nach kurzer Zeit waren die Stubenversammlungen überfüllt. Gott führte wunderbare Wege. Zu der Zeit lief alles über die russische Kommandantur. Br. H. Fischer ging dorthin und bat um Genehmigung, dass die Gemeinde den Raum in der Lindenstraße 5 nutzen konnte. Als der Stadtkommandant die Bezeichnung „Baptisten-Gemeinde“ hörte, meinte er: „Ich kenne euch!“ und genehmigte dies sofort.

Johannes Rehr übernahm 1948 die Verkündigung in Frankfurt(Oder) und den sich wieder neu bildenden Stationen und Stubenversammlungen. Er regte an, wieder Musik zu machen und stand den Menschen seelsorgerlich zur Seite.

In seiner direkten Art stellte er Ansprüche an die Menschen, die dadurch motiviert wurden. So berichtet S.Fischer : „Br. Rehr begrüßte mich nach meiner Heimkehr herzlich und strategisch: ,Wir freuen uns, dass du da bist! Du machst die Jugendarbeit!‘ Bald darauf kam auch die Kinderarbeit dazu.“
1949 fuhr Br. Rehr in der Adventszeit zu einer Andacht in das Oderbruch. Im dunklen, kalten Bahnabteil saßen vermummte Gestalten und schaukelten mit ihm durch die Gegend. Br. Rehr dachte an seine Andacht und holte aus seiner Tasche eine Kerze und Streichhölzer. Bald blickten alle Fahrgäste wie gebannt auf das Licht in seiner Hand. Kurz vor der Station, auf der er aussteigen wollte, pustete er das Licht aus und sagte in den dunklen, kalten Raum: „So wäre die Welt ohne Gott!“

W. Jung wurde von Bruder Rehr getauft und 1950 als Gemeindehelfer für das Oderbruchgebiet berufen, mit Wohnsitz in Letschin. So war er den zerstreut wohnenden Geschwistern etwas näher. Die Arbeit im Oderbruch war damals sehr aufwändig, denn mit dem Fahrrad oder einem alten Motorrad bei Wind und Wetter und schwierigen Wegeverhältnissen unterwegs zu sein, forderte Vertrauen und Enthusiasmus. Sein Dienst bestand nicht nur im Predigen, in Bibel- und Jugendstunden, Trauungen und Beerdigungen. Auch als Bauarbeiter, Erntehelfer, Friseur und anderen Dingen betätigte er sich.

1952 berichtete er: “ Mancherorts plagt uns Dank des guten Gottesdienstbesuches schon Mangel an Raum. Dankbar sehen wir der Wiederherstellung des Hauses eines Bruders entgegen, in dem wir uns dann versammeln können. Betet für den Missionsacker Oderbruch.“

Zuhause in der Lindenstraße – unterwegs auf dem Land

Die Gemeinde hatte einen Saal, der verändert wurde und auch eine Empore erhalten sollte. Aber es gab kein Holz. Bauern mit Wald wurden gefragt und die Gehöfte abgeklappert. Erfolglos. Der letzte Bauer in Wulkow gab die Zusage und dann auch die Stämme für die Balken der Empore. Die Baumstämme wurden ins Sägewerk nach Platkow gefahren, dann mit dem Pferdewagen nach Frankfurt(Oder). Der Gemeindesaal lag im Innenhof, ohne Fahrzugang von der Straße aus, nur Treppen zum Hauseingang und wieder Treppen nach der Durchquerung des Hausflures. Also mussten die Nachbargrundstücke in der Lindenstraße um Erlaubnis gefragt werden. Letzlich führte der Weg über zwei Grundstücke, die freigeräumt wurden. Außerdem wurde ein Durchbruch in eine kleine Mauer gemacht, um die Fuhre auf den Hof zu bekommen.

Horst Wilde übernahm das Amt des Predigers und Christa G. wurde 1958 als Gemeindeschwester eingeführt. Sie erzählt: „Ich hatte mir vorgenommen, für mehr Menschen, als nur die eigene Familie, da zu sein. Nun hatte mir Gott ein riesiges Betätigungsfeld gegeben, in das ich schnell hineinwachsen musste. Nicht nur Aufgaben in der Frankfurter Gemeinde, sondern auch die Betreuung der Geschwister der Stationen, die verstreut wohnten, z. B. in Zechin, Vossberg, Vorwerk Luisenhof, Reitwein, Dolgelin, Beauregard, Libenichen, Alt-Langsow, Treplin, Letschin, Wriezen, Altlewin, Haselberg, Frankenfelde, Niederjesar, Altmahlisch, Seelow, Fürstenberg, Finkenheerd, Wiesenau, Pillgram, gehörte zu meinem Aufgabengebiet. Die Entfernungen musste ich mit Fahrrad, Bus und Zug bewältigen. Oft gelang es nur, durch tatkräftige Hilfe mit den
Geschwistern ins Gespräch zu kommen. In Wiesenau war es erforderlich, Mist zu laden. Eine andere Schwester brauchte Sand auf ihrem Grundstück. So zog ich mit ihr den Handwagen. Natürlich vermied ich die Besuche in der Zeit von 13.00 – 15.00 Uhr und ging deshalb zum Bahnhof, um etwas zu essen und einen starken Kaffee zu trinken, um danach weitere Besuche zu machen. Mit dem Fahrrad war ich oft im Oderbruch unterwegs.

Neben der anfänglichen Haushaltsführung für die Predigerfamilie hatte ich also noch ein umfangreiches Aufgabengebiet, denn Geschwister der Gemeinde, egal wo sie wohnten, wendeten sich mit ihren Anliegen an mich. Kamen Geschwister der Bundes- oder Vereinigungsleitung oder Pastoren anderer Gemeinden zu Besuch, war die Versorgung und Betreuung meine Aufgabe. Später bekam ich den Auftrag für das leibliche Wohl bei großen Versammlungen zu sorgen. Da die Gemeinde noch keine Küchenräume hatte, kam nur meine kleine Küche dafür in Frage. Zu den Jugendstunden kamen viele Jugendliche von den Stationen. Sie konnten abends nicht mehr mit dem Zug zurückfahren. Nichts lag näher, als dass sie bei mir übernachteten.“ gekürzt

Der Frauendienst wurde unter ihrer Führung praktischer. Viele Familien benötigten Hilfe, weil die Mutter krank oder die Kinderschar groß war. So sammelte Christa die Frauen in ihrem Zimmer, um Körbe mit gewaschener, aber defekter Wäsche, in Ordnung zu bringen. Dabei wurde erzählt und es gab ein Glas Saft und ein paar Kekse. In diesen Jahren machte sie zusätzlich eine Schwesternausbildung beim Roten Kreuz.

Die Mission geht weiter

Br. Wilde nahm den Ruf nach Rostock an und Br. Müller aus Buckow wurde erbeten und war bereit, 1969 den Hirtendienst in unserer Gemeinde zu übernehmen. Die Gemeinde wählte mit 100%iger Zusage. Zu seinem Dienstbeginn gab es einen gewissen Generationswechsel, was für die Gemeindearbeit in den ersten Jahren nicht einfach war. Br. Müller war es zunächst sehr wichtig, die Geschwister durch Besuche und Gespräche näher kennen zu lernen. Sein Fazit: Die Gemeinde ist überaltert, und verbreitet herrscht die Meinung vor, Mission sei zwecklos. Wenn diese geistliche Haltung sich nicht ändert, werde die Gemeinde Frankfurt(Oder) 2003 bis 2005 aussterben. Seine Antwort darauf war: Wir müssen wieder eine missionarische Gemeinde werden, um dem Auftrag Jesu gerecht zu werden. Die Gemeinde soll nicht ein warmes Nest sein, sondern eine Truppe, die sich einsetzt für den Herrn. … Wenn wir Leute mit dem Evangelium erreichen wollen, müssen wir zu ihnen gehen. Am deutlichsten trug diese Arbeit Früchte unter den Jugendlichen.

1970 wurden Renovierungen mit Einbauten im Gemeindesaal vorgenommen, eine Gasheizung, Warmwassertherme und ein Gasherd eingebaut, eine Kanzel und ein Abendmahlstisch angeschafft, Türen ausgewechselt, sanitäre Verbesserungen in Küche und WC vorgenommen, sowie Dacharbeiten und die Überarbeitung der elektrischen Anlage erledigt, neue Gardinen genäht und Lampen gekauft.
In der Vorbereitungszeit war noch nicht bei allen Geschwistern die volle Einsicht in die Notwendigkeit dieser Baumaßnahmen vorhanden. Nachdem allerdings der maroden Zustand während der Bauarbeiten immer sichtbar wurde, stand die ganze Gemeinde mit Herz und Hand dahinter. Es war immer wieder eine Freude mitzuerleben, mit welcher Einsatzbereitschaft, oft unter schwierigen Bedingungen, sich die Geschwister einbrachten. Die Anzahl der Helfer war manchmal so groß, dass es schwierig war, für alle Arbeitsmöglichkeiten zu beschaffen.

Inspiriert durch die Pfingstjugendtage in Berlin-Weißensee entstand ein „Jugendchor“, der mit sehr viel Freude und Engagement probte
und auftrat.

Nach 14 Jahren Dienst bilanziert H.Müller:„ Zahlenmäßig hat sich der Stand der Gemeinde kaum geändert. So hat sich doch das Bild der Gemeinde wesentlich geändert. ….Während die Gottesdienste durchweg gut besucht sind, fehlt in den Bibelstunden die mittlere Generation weithin. … Es reicht nicht aus, wenn wir im Gottesdienst beieinander sind. Viel zu knapp ist die Zeit für den persönlichen Austausch…Schließlich: Vernachlässigt die Mission nicht. Die Zeit mag uns günstig oder ungünstig erscheinen, die eigenen Kräfte gering. Nichts entbindet uns von dem Auftrag, den Jesus seinen Jüngern gegeben hat. Mission ist die Hauptaufgabe der Gemeinde, der sich das Andere unterordnen muss. … Die Methoden mögen wechseln, die Aufgabe bleibt. Wenn die Gemeinde die Mission vernachlässigt, wird ihr Licht erlöschen. Jesus heißt uns leuchten!“

… unglaubliche Möglichkeiten

Sein Nachfolger wurde 1984 Manfred Schramm. In seine Amtszeit fiel „die Wende“, mit einer Vielzahl an Umbrüchen und Möglichkeiten, die hier in Kurzform erwähnt werden.
Zunächst unser Gemeindehaus. 1990 wurde ein Kaufantrag für die Oderallee 17 gestellt. Es ergab sich, dass eine Tochter des Besitzers, die in Canada wohnte, unverhofft an einem unserer Gottesdienst mit anschließender Gemeindestunde teilnahm, in der es um den Fortbestand der Versammlungsstätte ging. Sie erkannte, warum sie Gott ausgerechnet an diesem Sonntag nach Frankfurt geführt hatte und sprach daraufhin mit ihrer Verwandtschaft. Diese war daraufhin zum Verzicht auf das Grundstück Oderallee 17, zugunsten der Gemeinde, bereit. So öffnete Gott eine Tür.
Der Bau des Gemeindehauses in Gusow wurde 1992 abgeschlossen und gefeiert. Neben Gusow gehörten noch die Stationen Reitwein, Manschnow und Podelzig zu Frankfurt. Es gab Gottesdienste und Bibelstunden, ökumenische Bibelwochen und die Allianzgebetswoche. Die Montags-Friedensgebete im Kolbehaus wurden ergänzt durch Morgengebete in der Lindenstraße 17. Mit einem Buchstand war die Gemeinde an Markttagen vertreten.

2x wurde in dieser Zeit eine Zeltarbeit durchgeführt. Das Zelt fasste bis zu 400 Leute. Man stellte es auf den Festplatz in Frankfurt (Oder) Neuberesinchen auf, wo sonst auch „Rummel“ war. Zum Auf- und Abbau brauchte man 20 Männer. Jörg Swoboda, Hans Guderian und Prof. Werner Gitt übernahmen abwechselnd die Leitung. Die beiden Sonntagsgottesdienste fanden auch dort statt. Am Nachmittag lief immer ein Kinderprogramm, welches danach in einer regelmäßigen Kinderwochenstunde in Neuberesinchen umgewandelt wurde, zu der vorwiegend fremde Kinder kamen.
20 junge Leute besuchten regelmäßig die Jugendstunden. Die vier Sonntagsschulgruppen freuten sich über einen Besuch von ca. 30 Kindern. Einmal im Monat gab es einen Seniorennachmittag und eine Frauengruppe. An jedem Montagvormittag traf sich der Mutter-Kind-Kreis. Auch Hauskreise mit unterschiedlicher Zielsetzung und Zusammensetzung waren aktiv.

In der Vergangenheit waren die sowjetische Soldaten in unserer Stadt für uns tabu. Jetzt startete die Gemeinde eine missionarische Aktion in Richtung Kaserne der Streitkräfte der GUS. Man gestaltete dort einen Gottesdienst mit missionarischem Inhalt und verteilte Neue Testamente. 1992 wurden russischen Soldaten auch ins Zelt zu einer Extraveranstaltung mit Prof. Dr. Werner Gitt eingeladen. 120 Soldaten nahmen an diesem Gottesdienst teil. 1993 fand das erste Nachbarschaftsfest in der Lindenstraße 17 statt. Zu Pro Christ mit Ulrich Parzany gab es 1995 erstmalig in Frankfurt(Oder) Veranstaltungen, die in der Georgenkirche standfanden. Zu einem überkonfessionellen „Frühstückstreffen für Frauen“ wurde in die Cafeteria des Studentenwerkes eingeladen. Die „Gideons“ verteilten Neue Testamente in Frankfurt und wurden mit Quartieren unterstützt. Die Tradition des „Tages der Weltmission“ begann. Unter anderem mit P. Weiand und Kapteina. 1996 war das Bibel-Mobil in Frankfurt (Oder) anzutreffen. Im selben Jahr startete die „Kirchliche Telefonseelsorge“ . Bei der ersten Aktion von „Weihnachten im Schuhkarton“ 1999 kamen 290 Päckchen und über 2000,- DM zusammen. Es fand ein Gemeindeabend mit Arno Backhaus zum Thema „1000 und eine Idee für missionarische Arbeit im Haus und außer Haus“ statt. 2002 gab es die erste Kunstausstellung mit Original-Lithographien vom jüdischen Künstler Marc Chagall „Bilder zur Bibel“.

3K – Kontinuität, Kinder, Kaffee (für Gemeinschaft :-))

Manfred Schramm ging in den Ruhestand und als sein Nachfolger wurde 2002 Ingo Schaper berufen. Viele der gestarteten Veranstaltungen wurden neben den Gottesdiensten kontinuierlich fortgesetzt. Das jährliche „Lindenstraßenfest“ war jedesmal ein Höhepunkt für uns. Mit vielen Aktionen, Spielen, oft einer Kutsche, manchmal eine Zuckerwattemaschine und immer Kaffee und Kuchen verbrachten wir und alle Nachbarn und Freunde, die vorbei kamen, einen tollen Nachmittag. Kleidersammlungen für Osteuropa wurden einige Jahre durchgeführt.
An der Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ beteiligten sich immer mehr Menschen. 2002 wurden 445 Päckchen auf die Reise geschickt. 2006 waren es 1128! Es entstand auch Neues. 2003 ging der Teenkreis an den Start und traf sich jede Woche. Die Jugendlichen wurden zu einer „WogeLe“ (Woche des gemeinsamen Lebens) eingeladen und hatten eine gute Zeit auf dem Gemeindegelände.
Ein H.O.P.E.-Jugendgottesdienst fand 2006 in der Lindenstraße statt und anläßlich der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland eine KickOff-Aktion in Gorgast. Der sonntägliche Kindergottesdienst erhielt ein neues Format, das „Abenteuerland“. Für die Kleinsten wurde der Krabbelraum mit Tonübertragung einladend hergerichtet. Weitere Hauskreis bilden sich. 2007 nahm das christliche Kinderanimationsprogramm „Regenbogenstraße“ auf dem Familiencampingplatz am Helenesee ihre evangelistische Arbeit auf. Das Programm bestand aus drei Veranstaltungen, vom Puppenspiel, über die Spielstraße bis zur Guten-Nacht-Geschichte. Drei Teams versuchten, an fünf Tagen in der Woche Kinder und Eltern des Campingplatzes zu erreichen. Es war eine anspruchsvolle Arbeit, nicht nur durch Wetterkapriolen. Mit Unterstützung der Gemeinde gab das Team nicht auf. Täglich kamen ca. 25 Kinder mit ihren Eltern. Einmal gab es auch 50 bzw. 90 Zuhörer. 10 Jahre später erlebten die Mitarbeiter dann Folgendes: „An einem Abend saßen wir als Team beisammen. Nach einer Runde, in der wir uns gegenseitig etwas sagten, was wir gut aneinander finden, hatten wir eine Gebetsgemeinschaft. Kurz nach dem Gebet von Valentin, kam unser Nachbar, der tunesische Surflehrer mit einem Blumenstrauß, zu uns an den Tisch. Er sagte, dass wir schon so viele Jahre gute Nachbarn sind, und er es toll findet, dass wir als REBO da sind. Er wollte sich bedanken. Und auch wenn er ein Moslem ist und wir Christen, findet er, dass das doch kein Problem ist. Wir waren total baff, sagten danke und staunten. Für mich war es, als wenn Gott sich bei uns persönlich bedanken wollte und da er Humor hat, schickte er einen Moslem mit einem Blumenstrauß.“

Gemeinschaft war uns immer wichtig und wurde vielfältig erlebt. So waren die Gemeindefreizeiten, alle zwei Jahre in Hirschluch, ein Höhepunkt, mit viel Zeit für Begegnung, Spiel und Vorträgen von externen Referenten. Zum Austausch und Kennenlernen wurden die angebotenen Kirchenkaffees und der Brunch, immer am 1. Sonntag im Monat nach dem Gottesdienst, geschätzt und genutzt. Wer aktivere Gemeinschaft wollte, kam zum „Familiensport“ in die Turnhalle und machte mit bei „Ab ins Grüne“.

Quelle: Chronik anlässlich des Jubiläums 150 Jahre Missions- und Gemeindearbeit der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde
(Baptisten) Frankfurt(Oder)